Das Prinzip ist ganz einfach: An der Bahnsteigkante befinden sich meist gläserne Wände, die den Bahnsteigbereich vom Gleis trennen. Nichts anderes sind letztendlich Bahnsteigtüren.
Bei unseren U-Bahnen kommen Bahnsteigtüren bislang nicht zum Einsatz. Nun sind sie erstmalig für die neue U5 geplant, die künftig als erste vollautomatische U-Bahn in Hamburg unterwegs sein wird.
Doch warum soll es auf der U5 Bahnsteigtüren geben und im Bestandsnetz nicht?
Als Neueinsteigerin bei der Hochbahn habe ich mir diese Frage gestellt und mich deshalb bei meinen Kollegen schlau gemacht, um hierauf eine Antwort zu finden.
Einsatz von Bahnsteigtüren im automatisierten Betrieb
Was ich dabei gelernt habe, ist, dass man im Bahnbetrieb zwischen vier Automatisierungsstufen unterscheidet. Beim aktuellen Betrieb handelt es sich um die Automatisierungsstufe GoA 1 (Grade of Automation). Hierbei übernehmen die Fahrer und Fahrerinnen die Zugsteuerung und kontrollieren den Fahrgastwechsel an den Bahnsteigen als auch das Öffnen und Schließen der Türen.
Mit der geplanten U5 wird in Hamburg erstmalig die Automatisierungsstufe GoA 4 eingeführt. In zahlreichen asiatischen Ländern, wie auch in Barcelona, Kopenhagen oder Paris sind vollautomatische Bahnen bereits im Einsatz. Das bedeutet, dass sie nicht mehr von Fahrern und Fahrerinnen, sondern ausschließlich rechnergesteuert betrieben werden. Deshalb sind an dieser Stelle spezielle Sicherheitssysteme erforderlich, die verhindern, dass Personen oder Gegenstände unbemerkt ins Gleis fallen. In Nürnberg beispielsweise wird eine Laser- und Infrarottechnik eingesetzt, die Objekte im Gleisbereich erkennt. Ein solches System ist allerdings nicht völlig fehlerfrei, da im Zweifel auch ins Gleis fliegende Tauben eine Unterbrechung des Betriebs auslösen können. Auch deshalb haben sich unsere Ingenieure bei der Planung der U5 für Bahnsteigtüren als sogenannte „Sicherheitsschleusen“ entschieden.
Wie das mit den Bahnsteigtüren funktioniert
Die Bahnsteigtüren sind stets geschlossen, wenn kein Zug am Bahnsteig steht. Erst, wenn der eingefahrene Zug zum Stehen gekommen ist, werden die Bahnsteigtüren für den Fahrgastwechsel zeitgleich mit den Zugtüren geöffnet und nach einer bestimmten Zeit wieder geschlossen.
Die Türen haben den positiven Nebeneffekt, dass sie die Fahrgäste bei der Einfahrt eines Zuges vor Lärm und unangenehmen Luftzügen schützen. Trotzdem ist man als Fahrgast nicht ganz vom eigentlichen Geschehen abgeschirmt – da die meisten Türen aus Glas oder durchsichtigem Kunststoff sind, können sowohl die kleinen als auch die großen Fahrgäste nach wie vor die einfahrenden Züge bestaunen.
Klingt doch eigentlich alles ganz gut. Könnte man dann also die Linien U1 bis U4 nicht auch mit Bahnsteigtüren ausstatten?
Wieso nicht auch im Bestand?
Auch wenn Bahnsteigtüren erst einmal sinnvoll und modern klingen, spricht doch vieles gegen einen Einbau im Bestand.
Zum einen sind das Haltestellen, die vor mehreren Jahrzehnten in Kurvenlage gebaut wurden. Da die Wagen nicht elastisch sind und sich zu einer Kurve formen können, entsteht hier ein großer Spalt zwischen Bahnsteigtür und Zug. Um die Barrierefreiheit sicherzustellen, kann dieser Spalt im konventionellen Betrieb mit einem sogenannten „Gapfiller“ überbrückt werden. Beim Einsatz von Bahnsteigtüren entsteht durch den Spalt allerdings das Risiko, dass Fahrgäste beim Schließen der Türen zwischen Zug und Bahnsteig geraten können.
Damit Bahnsteigtüren ihren Zweck erfüllen, müssen die Zugtüren zum anderen auf die jeweilige Position abgestimmt sein. Im konventionellen Betrieb ergibt sich hierbei allerdings das Problem eines zentimetergenauen Halts, den die Fahrer und Fahrerinnen nur gewährleisten können, wenn sie sich langsam an den Haltepunkt herantasten. Das würde jedoch zu erheblichen Verlusten bei der Fahrzeit und somit der Leistungsfähigkeit der Linie führen.
Mit 400kg pro Meter tragen Bahnsteigtüren zudem ein beachtliches Gewicht mit sich. Die Bausubstanz der alten Bahnsteige ist teilweise zu schwach für diese Last. Hinzu kommen Hohlräume, die sich in einigen Bahnhaltestellen unter den Bahnsteigen befinden, um ins Gleis gefallenen Personen Schutz zu bieten. Dadurch wird die Traglast der Bahnsteige zusätzlich verringert.
Für die Konstruktion von Bahnsteigen sind außerdem Mindestbreiten vorgegeben. Da bei Bahnsteigtüren pro Seite von einem halben Meter Platzbedarf ausgegangen wird, würden sich die Bahnsteige bei einem nachträglichen Einbau verschmälern. Das würde dazu führen, dass an einigen Haltestellen nicht mehr genug Platz vorhanden wäre, um die Fahrgäste im Notfall sicher evakuieren zu können.
Außerdem habe ich von den Kollegen gelernt, dass im Bestand verschiedene Zugtypen eingesetzt werden, die unterschiedliche Türanordnungen und Zuglängen aufweisen. Folglich könnten Züge nicht mehr variabel eingesetzt werden, sondern pro Linie nur noch mit demselben Zugtyp verkehren. Die Effizienz des heutigen Bestandsnetzes wäre dadurch natürlich massiv eingeschränkt.
Was das für den Bestand bedeutet
Wie aus den Problemen ersichtlich wird, ist ein Einsatz von Bahnsteigtüren im Bestand mittelfristig nicht sinnvoll umsetzbar. Es wird natürlich trotzdem für Sicherheit am Bahnsteig gesorgt, indem unsere Fahrer und Fahrerinnen auch in Zukunft auf der Strecke unterwegs sein werden und dabei die Kontrolle des Fahrgastwechsels sicherstellen. Bei Großveranstaltungen, wie beispielsweise dem Hafengeburtstag, fahren sie aufgrund des hohen Fahrgastaufkommens übrigens mit angepasster Geschwindigkeit.
Eine Rufsäule am Bahnsteig bietet den Fahrgästen außerdem die Möglichkeit, selbst einzugreifen und den Zugverkehr durch Ziehen des Nothaltgriffs zu stoppen.
Insgesamt gilt aber auch hier wie beim Straßenverkehr, möglichen Gefahren selbst vorzubeugen, indem man genügend Abstand zur Bahnsteigkante hält. Als Fußgänger werden wir schließlich auch nicht durch Glaswände vor dem Straßenverkehr geschützt. Deshalb achten wir hier auf unsere eigene Sicherheit, indem wir ausreichend Abstand zur Fahrbahn und den vorbeifahrenden Fahrzeugen halten. An den Bahnsteigen können sich Fahrgäste zu ihrer Sicherheit an Linienmarkierungen vor der Bahnsteigkante orientieren.
Der Beitrag Bahnsteigtüren – Warum nicht auch im Bestand? erschien zuerst auf HOCHBAHN.